Die Geschichte einer Familie in Mangalore

Nach der Geburt ihres Babys ist die 26-jährige Sharmila zurück ins Haus ihrer Mutter gezogen – in Indien gerade auf dem Land eine weit verbreitete Tradition.

Die ältere Generation unterstützt die jüngere, zumindest das erste halbe Jahr lang, wenn die jungen Mütter von der Geburt noch nicht vollständig erholt sind. Dass es ihr hier gut geht, sagt Sharmila mit einem Lächeln. Dass ihr Mann sie besucht und sie eine gute Zukunft vor sich haben, sie beide mit ihrem Kind.

 
 

Wenn sie spricht, deutet nichts darauf hin, dass ihr drei Wochen alter Sohn mit Cleft zur Welt kam. Und zwar nicht nur mit der weniger gefährlichen Lippen-, sondern auch mit einer tiefen Gaumenspalte, die Säuglingen das Trinken der Muttermilch erschwert oder unmöglich macht. Nicht selten verhungern sie. Doch die Ärzte im Krankenhaus von Mangalore haben die junge Mutter gut auf alles vorbereitet: Dank pränataler Diagnostik per Ultraschall wusste sie lange vor der Geburt, dass ihr Kind mit Cleft zur Welt kommen würde.

Ein Durchbruch nicht nur in medizinischer, sondern auch in gesellschaftlicher Hinsicht. In Indien kommt es sehr oft vor, dass Cleft-Kinder von ihren Familien versteckt oder getötet werden – aus Scham und Unwissen über eine mögliche kostenlose Behandlung. Je früher die Eltern informiert sind, desto besser können sie mit der Situation umgehen. Sie wissen, dass sie ihr nicht ausgeliefert sind.
So wie Sharmila. Sie hatte Zeit, sich auf die Geburt eines Cleft-Kindes vorzubereiten, mental und praktisch. Nach der Diagnose erstellten die Ärzte einen Behandlungsplan: Im ersten Schritt würde das Baby eine herausnehmbare Gaumenplatte bekommen, die ihm die Mutter zum Stillen einsetzt und die ihm das Trinken der Milch erheblich erleichtert. Nach sechs Monaten und der nötigen Gewichtszunahme kann das Kind zum ersten Mal operiert werden.

Lippen- und Gaumenspalte werden in zwei Schritten geschlossen, und noch bevor der kleine Junge seinen ersten Geburtstag feiert, hat er die besten Voraussetzungen, sich sowohl optisch als auch sprachlich genauso gut zu entwickeln wie seine Altersgenossen.
“Natürlich“, sagt Sharmila mit einem liebevollen Blick auf ihren Sohn, “habe ich mir nichts sehnlicher gewünscht als ein gesundes Kind. So wie alle Eltern. Und natürlich war die Diagnose für uns ein Schock. Doch ich wusste auch von Anfang an, dass die Ärzte meinem Sohn helfen können, dass wir der Krankheit nicht ausgeliefert sind und mein Kind nicht sein Leben lang entstellt sein würde.“

Das Wissen um die Behandlungsmöglichkeiten und das Gefühl, von Anfang an gut betreut zu werden, gaben ihr und ihrer Familie Zuversicht und Hoffnung. Und diese Zuversicht geben sie jetzt an ihr Kind weiter, mit aller Kraft und Liebe – so, wie es sein sollte.